Nun sag du hast mich nackt gesehen

Der Titel meines Projekts stammt aus Ovids „Metamorphosen“. In diesem altgriechischen, mythologischen Gedicht geht es größtenteils um Verwandlungen von Menschen oder Gottheiten in andere Wesen. Der Jäger Aktaion überraschte in eben dieser Passage bei einem Streifzug durch den Wald die jungfräuliche Göttin Artemis unabsichtlich beim Baden. Vor Scham errötet verwandelte sie ihn mit den Worten „Nun sag, du hast mich nackt gesehen“ in einen Hirsch und wurde dadurch von seinen eigenen Jagdhunden zerfleischt.
Auf mich haben die griechischen Mythen schon seit meiner Kindheit große Faszination ausgeübt. Im Laufe meines Studiums habe ich in meinen eigenen Arbeiten immer wieder dort angeknüpft.

Was die Darstellungen meiner Fotos betrifft – schon bevor ich konkret mit dieser Fotoserie begonnen hatte – ist mir beim Fotografieren immer wieder aufgefallen, welche persönlichen Schamesgrenzen bei den fotografierten Personen auftauchen. Das kennen die meisten wahrscheinlich schon alleine in Bezug auf äußerliche Aspekte des Körpers. Da ich vornehmlich homosexuelle Männer portraitiere, können hierzu aber auch noch einige weitere Grenzen kommen. Wenn Männer aufgrund Ihrer Herkunft, familiären oder persönlichen Umständen größere Diskretion über ihre Sexualität wahren müssen oder zumindest in diesem Sinne aufgewachsen sind und ihnen ein offenerer Umgang damit noch fremd ist. Diese Diskrepanz zwischen dem Wunsch sich zu zeigen, der Freude am eigenen Körper und den Gründen, die sie davon abhalten, war fotografisch besonders interessant, einen feinfühligen Weg zu finden. Wenn der Grad der Diskretion nicht auf rein persönlicher Wünschen beruht, sondern durch äußere Umstände zum Leid der Personen bestimmt wird, erhoffe ich mir auch hier eine positive Veränderung und ein Umdenken in der Gesellschaft.

In diesem Sinne war der mythologische Ausspruch als Wahl für einen Titel besonders treffend, da die Göttin hier den Anblick ihrer Nacktheit dessen Weitergabe in größter Konsequenz verhindert hatte.

Dieses Projekt habe ich 2018 begonnen und konnte ich nun durch freundliche Unterstützung des Stipendienprogramms Junge Kunst und neue Wege weiter fortsetzen.












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